Wie steht es eigentlich um die Versorgung unserer Patienten?

Am 22. November 2022 tritt die neue GOT (Gebührenordnung für Tierärzte) in Kraft. Was bedeutet das genau für uns Tierärzte und insbesondere für unsere Patientenbesitzer. Da mir diese Frage in letzter Zeit immer häufiger sehr sorgenvoll gestellt wurde und immer mehr Medien aus dem Zusammenhang gerissene Informationen verbreiten, habe ich beschlossen hier einmal ausführlich zu beschreiben, was es mit der für uns lang ersehnten (seit über 20 Jahren!!!) Erhöhung der der GOT auf sich hat:

Die Gebührenordnung ist zuletzt 1999 umfassend geändert worden. Schon zum damaligen Zeitpunkt wurde mit der Erhöhung nicht einmal die Inflationsrate gedeckt. Mit dem heutigen Standard der Tiermedizin ist diese GOT nicht mehr zu vereinbaren. Viele Leistungen sind darin nicht einmal aufgeführt, oder entsprechen schon lange nicht mehr dem medizinischen Niveau auf dem wir heute arbeiten und auch auf Wunsch der Patientenbesitzer arbeiten sollen. Deswegen sind wir Tierärzte natürlich dankbar, dass endlich eine Anpassung an das medizinische Niveau und die daraus resultierende Möglichkeit der besseren Abrechnung der Leistungen gegeben ist.

Und NEIN, wir erhöhen jetzt nicht wahllos unsere Preise um 165 % wie es jetzt schon in einschlägigen Medien kundgetan wurde.

Eine Anpassung der Preise ergibt sich natürlich, wie in jedem Betrieb, aus den Kosten für die Räume, das Personal und die Materialien, die benötigt werden.

Ich gehe aber gerne noch einen Schritt weiter und plaudere ein wenig aus dem Nähkästchen, um mit dem Mythos aufzuräumen, wir Tierärzte wollen uns nur die Taschen vollstopfen.

Als ich vor 20 Jahren nach 6 Jahren Studium und 2 Jahren Promotion fertig geworden bin, habe ich in meinem ersten Job 1800,- EUR brutto verdient und dafür 60-70 Wochenstunden gearbeitet, jeden zweiten Tag und jedes zweite Wochenende 24 h Dienst (der Chef und ich haben uns abgewechselt). Es gab viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen die genauso begonnen haben. Vor unserer ersten bezahlten Stelle haben wir uns Jahre lang als Hospitanten Wissen auf eigene Kosten unbezahlt angeeignet. Warum und wie war das möglich, fragen Sie sich bestimmt? Die Antwort: es gab unglaublich viele, die Tiermedizin studiert haben und bereit waren so zu arbeiten, um in dem Beruf Fuß zu fassen. Ein Satz den ich immer wieder von Beginn an gehört habe war: Stell Dich darauf ein, Du wirst viel arbeiten und wenig verdienen! Ich habe mich darauf eingestellt. Mich durchgekämpft und mich später dann selbständig gemacht. Warum funktioniert dieses System nicht mehr und was hat das mit der GOT-Novelle zu tun?

Es sind viele Faktoren, die das jetzige Konstrukt der Versorgung unserer Patienten gewaltig wackeln lassen. Wir finden für alle kurativen Bereiche unserer Branche keine Nachfolger mehr. Es werden zwar vielen Kolleginnen und Kollegen weiterhin ausgebildet, aber viele von Ihnen beantragen keine Approbation mehr (es kursieren Zahlen zwischen 30 und 50 %), das bedeutet, sie wollen nicht mehr als praktischer Tierarzt tätig sein. Die jetzige junge Generation möchte eben nicht mehr nur arbeiten, schlecht verdienen und keine Freizeit haben. Und das zu Recht! Wussten Sie, dass die Tiermedizin die höchste Suizidrate weltweit, von allen Berufen hat? Und das liegt in erster Linie an genau diesen Bedingungen und dem Druck der dadurch entsteht. Das mittlerweile salonfähige Cybermobbing und öffentlich ausgetragene Hetze macht die Situation für uns nicht besser.

Sehr empfindlich zu spüren bekommen dies die Tierbesitzer gerade auch durch die wegfallenden notdienstbereiten Tierkliniken. Auch diese haben den Entschluss nicht gefasst, weil sie keine Lust mehr haben Dienst zu machen und für Ihre Patienten da zu sein, sondern, weil wir immer weniger Tierärzte und Tierärztinnen sind, die diese Dienste verrichten. Und egal, wo wir in unserer Branche hinhören sind alle die, die noch arbeiten, am Limit ihrer Kräfte.

Hinzu kommt ein immer größer werdender Anspruch an die medizinische Versorgung. Wir machen halt nun mal keine Medizin mehr, wie vor 20 Jahren und das ist auch gut so!  

Aus all diesen Gründen ist es schon lange nötig, und wäre es schon vor mindestens 15 Jahren nötig gewesen die GOT zu erhöhen, um einem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und dem Anspruch an die medizinische Versorgung gerecht zu werden.

Aber wie sagt man so schön: Besser spät als nie.

Das die Erhöhung genau jetzt zur Unzeit kommt, wo alle Preise aus unterschiedlichen Gründen ansteigen, bedauern wir ebenfalls sehr. Aber auch in unserer Branche muss leider jetzt und nicht erst in ein paar Jahren gehandelt werden, da sonst die medizinische Versorgung unserer Patienten ernsthaft gefährdet ist.

Wir sind im Durchschnitt gesehen eines der günstigsten europäischen Länder in der tiermedizinischen Versorgung. In Deutschland kostet eine allgemeine Untersuchung ca. 25-30 EUR in den Skandinavischen Ländern und Großbritannien kostet die gleiche Leistung                  50-60 EUR. Dort haben schon lange Tierkrankenversicherungen Einzug gehalten und somit das tiermedizinische Versorgungssystem auf stabile Füße gestellt.

Ist es mir als Tierbesitzer nicht möglich ad hoc mind. 5000,- EUR bereitzustellen, dann sollte man ernsthaft über den Abschluss einer solchen Versicherung nachdenken. Selbst viele meiner Kolleginnen und Kollegen haben für ihre Tiere Versicherungen abgeschlossen, da auch wir nicht in der Lage sind, einen solche Summe mal eben so aufzubringen.

Das haben auch die Versicherungsunternehmen erkannt und die Auswahl an guten und mannigfaltigen Tierkrankenversicherungen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, so dass viele Patientenbesitzer ein für sich passendes Modul wählen können. Es gibt leider sicherlich den ein oder anderen Patienten, für den der Abschluss einer Versicherung z.B. aufgrund des fortgeschrittenen Alters zu teuer ist. Dennoch sollte man auch hier genau prüfen, denn gerade für den alten Patienten ist jetzt noch der günstigste Zeitpunkt in ein Tierkrankenversicherungssystem einzusteigen, da die Versicherungen den Markt in Deutschland zurzeit gerade „neu“ erobern.

Zur Beruhigung für meine Patientenbesitzer:

Wir Tierärzte werden sicherlich nicht unüberlegt und wahllos Preise in die Höhe ziehen, nur weil die neue GOT jetzt in Kraft tritt. Dennoch müssen alle die eben genannten Faktoren bei den betriebswirtschaftlichen Berechnungen mit einbezogen werden. Daraus ergibt sich dann der Preis für die einzelnen Behandlungen.

Gute Tiermedizin und Tierschutz bedeutet, dass ich mein Tier jederzeit dem aktuellen medizinischen Standard entsprechend versorgen lassen kann!

 Ihre Eva Rash

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